Entsprechend der Ankündigung vom 4. Februar 2015 positioniert sich der DKAC M-V e.V. zur Entscheidung des VG Münster (Az.: 1 L 615/14) vom 30. Januar 2015 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eines Teichanlagenbetreibers gegen den Landkreis Borken. Mit dieser Positionierung bewerten wir die vorgenannte Entscheidung juristisch und stellen kurz unsere Auffassung zu den Begleitumständen dar.
Der Antragsteller betreibt gewerbsmäßig eine Angelteichanlage in Vreden. Dort bietet er an, sowohl Forellen als auch kapitale Fische wie Störe, Welse, Hechte und Karpfen gegen Bezahlung zu angeln. Hierbei kam es dazu, dass gefangene Fische wieder in das Angelgewässer zurückgesetzt wurden.
Dem Teichanlagenbetreiber wurde schließlich vom Landkreis Borken untersagt, gefangene Fische wieder einzusetzen und ihm wurde aufgegeben, durch Erstellen einer Teichordnung sicherzustellen, dass ein Verstoß gegen diese Anordnungen durch andere Personen verhindert wird. Außerdem ordnete der Landkreis Borken die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Gegen die Verfügung erhob der Teichanlagenbetreiber Klage und beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Das VG Münster hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung mit oben genanntem Beschluss abgelehnt. Über die Klage im Hauptsacheverfahren wurde noch nicht entschieden.
Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass durch das Handhaben der Fische an Land bei ihnen zumindest erhebliche Stresssituationen hervorgerufen würden, die zu länger anhaltenden Leiden führten. Ein vernünftiger Grund hierfür liege nicht vor. Die Fische seien nicht zum Nahrungserwerb und zur Lebensmittelgewinnung geangelt worden.
Diese vorgetragene Begründung trägt indes nicht. Zunächst irrt das Verwaltungsgericht, wenn es glaubt, dass sich Stresssituationen unter das Tatbestandsmerkmal der langanhaltenden erheblichen Leiden in § 17 Abs. 2b TierSchG subsumieren lassen. Offenbar wurde in der summarischen Prüfung durch das Verwaltungsgericht lediglich die Begründung einer Entscheidung durch das AG Bad Oeynhausen (Az.: 5 Cs 16 Js 567/00) übernommen.
Stresssituationen erfüllen das Tatbestandsmerkmal langanhaltender erheblicher Schmerzen oder Leiden nicht. Festzustellen ist zunächst, dass Tiere rechtlich betrachtet gemäß § 90a BGB Sachen gleichgestellt sind. Formaljuristisch stellt § 17 Absatz 2 TierSchG insofern eine besondere Form der Sachbeschädigung dar. Vergleiche mit Körperverletzungsdelikten sind deshalb rechtlich problematisch. Aber selbst wenn man diese Tatsache beiseiteschieben und eine rechtlich unzulässige Vermenschlichung von Tieren annehmen wollte, indem man in der Tierquälerei gemäß § 17 Abs.2 TierSchG ein an den Tatbestand der Körperverletzung gemäß § 223 StGB angelehntes Delikt sehen würde, käme man zum gleichen Ergebnis. Lässt man nämlich für die Körperverletzung per Definition eine „mehr als nur unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens“ für die Erfüllung des Tatbestandes genügen, bestehen bei der Tierquälerei die gesteigerten Anforderungen erheblicher Schmerzen oder Leiden. Die Schwelle für die Erfüllung des Tatbestandes der Tierquälerei liegt also deutlich höher. Insofern wäre es folgerichtig, dass bloße Stresssituationen die gesteigerten Anforderungen der Tierquälerei nicht erfüllen können, da sie schon die niedrigeren Anforderungen der Körperverletzung beim Menschen nicht erfüllen.
Vom VG Münster völlig unbeachtet geblieben, ist das zusätzliche ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der äußerlich wahrnehmbaren Leidensanzeichen. So fordert das OLG Celle, dass für die Beurteilung, ob bei einem Tier erhebliche Leiden im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 2b TierSchG vorliegen, darauf abzustellen ist, ob äußerlich wahrnehmbare Auffälligkeiten im Verhalten der Tiere festzustellen sind, die als taugliche Anzeichen für das Vorliegen eines erheblichen Leidens anzusehen sind (Beschluss vom 28.12.2010, Az.: 32 Ss 154/10).
Unklar ist weiterhin, warum das Verwaltungsgericht Münster auf das Erfordernis eines „vernünftigen Grundes“ abstellt. Im vorliegenden Fall kommt es auf dieses Tatbestandsmerkmal nicht an, da die Fische lebend zurückgesetzt wurden. Das Vorliegen eines „vernünftigen Grundes“ ist nach dem Wortlaut der Norm lediglich für die Tötung eines Tieres gemäß § 17 Abs. 1 TierSchG erforderlich. Für beide Alternativen des § 17 Abs.2 TierSchG kommt es hierauf jedoch nicht an.
Lediglich der Vollständigkeit halber weisen wir jedoch darauf hin, dass einer offensichtlichen Einengung des vernünftigen Grundes in § 17 TierSchG auf Nahrungserwerb und Lebensmittelgewinnung nicht gefolgt werden kann. Der Gesetzgeber hat das Tatbestandsmerkmal bei der letzten Novellierung des Tierschutzrechts mit seiner Wortwahl bewusst weit offen gelassen. Gewünscht war keine Einengung auf den Nahrungserwerb (vgl.: StA Aschaffenburg Az.: StA 102 Js 11194/13).
Nach alledem kann die Begründung des Beschlusses rechtlich nicht überzeugen.
Der DKAC Mecklenburg-Vorpommern möchte jedoch anmerken, dass er kommerziellen Teichanlagen sehr kritisch gegenüber steht. Wir schließen uns ausdrücklich der Auffassung des VDKAC an (siehe hier), wonach die Auffassung vertreten wird, dass das Angeln in kommerziellen Teichanlagen mit der alleinigen Zielsetzung, große Fische zur Profilierung des Fängers zu fangen, nicht mit einer naturnahen und nachhaltigen Ausübung der Angelfischerei in Einklang zu bringen ist. Sobald Angeln zum Geschäft wird, steht die Gefahr, dass kommerzielle Interessen zu Lasten der Fische in den Vordergrund rücken. Das ändert jedoch nichts an der Auffassung zur Entscheidung im vorliegenden Verfahren.